Demenz betrifft nicht nur alte Menschen


„Heut ist dein Hochzeitstag, du siehst die Bilder an der Wand /
Verblasst von der Zeit, so wie euer Leben, und das was euch verband. /
Du lebst mit einem Fremden, dessen Seele tief verborgen /
in ihm selbst und die Hoffnung, sie stirbt heut und auch morgen.

Du führst ihn voller Liebe an der Hand durch jeden Tag, /
Selbst wenn er dich kaum mehr erkennt, dein Herzschlag ist sein Herzschlag. /
Eure Freunde sind schon lange überfordert, auf und davon, /
Nur du hältst noch die Stellung, zu geh`n ist keine Option.

Im Herbst zieh`n die Schwalben Richtung Süden, /
Der Wind weht von den Bäumen buntes Laub. /
Schon wieder ist ein Jahr beinah vorüber,  /
All deine Träume zerfallen zu Staub.“

Diese eindrucksvollen Zeilen stammen vom gemeinsamen Lied „Schwalben“ der beiden Singer-Songwriter Sarah Straub und Konstantin Wecker aus dem Jahr 2021. Es handelt von einem an Demenz erkrankten, betagten Mann und seiner Frau und deren Gefühlen ob der Krankheit, die den Mann gefangen genommen hat.

Dr. Sarah Straub sang ihr melancholisches Lied anlässlich der „Bayerischen Demenzwoche“ im Bürgersaal in Senden am Keyboard. Sie ist Liedermacherin und promovierte Psychologin. Ihr Spezialgebiet: Demenz. Seit gut zwölf Jahren arbeitet die Gundelfingerin am Universitätsklinikum in Ulm.

Rund 150 Besucherinnen und Besucher kamen zu der gemeinsamen Veranstaltung von der Gesundheitsregionplus Landkreis Neu-Ulm und der Volkshochschule im Landkreis Neu-Ulm. Viele der teilweise selbst Erkrankten oder Angehörigen waren ergriffen. Auch Sarah Straub musste eine Träne verdrücken, als sie von ihrer Großmutter und ihrem später ebenfalls verstorbenen Schwiegervater erzählte, die beide an Demenz erkrankt waren.

Sie setzen sich gemeinsam gegen die tückische Krankheit Demenz ein (von links): Marc Löchner (Gesundheitsregion plus Landkreis Neu-Ulm), Liedermacherin und Demenzforscherin Dr. Sarah Straub, Landrat Thorsten Freudenberger und Claudia Schäfer-Rudolf (Bürge

Es war ein besonderer Abend, eine Mischung aus Lesung, Vortrag und Konzert, der niemand unberührt ließ. „Ja, Demenz ist schwer“, sagte Sarah Straub, „es ist aber auch Liebe und Hoffnung“. Zwar gebe es nach wie vor kein Heilmittel gegen die tückische, fortschreitenden Krankheit, aber sehr wohl Möglichkeiten und Wege, „die den Abbauprozess im Gehirn verlangsamen“. Hilfreich seien beispielsweise regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, gesundes Essen und wertvolle soziale Kontakte, etwa gemeinsame Zeit mit Familie und Freuden. Auch in der Pflege gebe es „großartige Angebote“, so Sarah Straub.

Im nächsten Jahr sollen mit Unterstützung von Sarah Straub verschiedene Angebote im Landkreis Neu-Ulm starten, so kündigte Geschäftsstellenleiter Marc Löchner von der Gesundheitsregion plus an.

Demenz ist dabei nicht gleich Demenz. Sarah Straub informierte, dass es über 50 verschiedene Demenzformen gebe, nur eine davon sei Alzheimer. Das mache es auch so schwer, ein Heilmittel zu finden. Vielmehr müssten es mehrere verschiedene Heilmittel sein.

Aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft erkranken immer mehr Menschen an einer Demenz; mittlerweile leiden 1,8 Millionen Menschen in Deutschland daran. Entsprechend komme der Krankheit eine immer größere Bedeutung zu, führte Landrat Thorsten Freudenberger aus. Er würdigte vor allem die pflegenden Angehörigen und professionellen Pflegekräfte, die sich „mit viel Nächstenliebe um die Erkrankten kümmern“.

Dr. Sarah Straub berichtete aber auch von Patienten und Patienten um das 50. Lebensjahr, die in Ulm zu ihr kommen. „Mein jüngster Patient war 34“, machte sie staunen. Insofern „geht Demenz uns alle an“, denn jede und jeden könne es früher oder später treffen.

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